Eine Hochzeit auf der Rickmer Rickmers
Es regnet. Der ganze Hafen ist von einem diesigen Schleier überzogen. Aus den Barkassen unter uns ertönen durch die Lautsprecher die Stimmen der Fremdenführer, welche erklären was Backbord und Steuerbord ist. Alle Gäste haben sich unter das Sonnensegel gedrängt, welches den Regen abhält. Die Stühle am äußeren Rand wurden ins Trockene gerettet oder stehen pitschnass im Regen. Wir warten. Er darf nicht schauen. Sein Blick ist gen Achtern gerichtet, solange seine Braut noch nicht die letzten Meter auf ihn zu läuft. Sie kommt. Der Bulli mit der Braut fährt an die Landungsbrücken. Mit Regenschirmen bewaffnet drängen sich Fotografin, Braut und Trauzeuginnen durch die Menge an Touristen. Sie verschwinden aus dem Blickeld der Gäste, welche ihre Köpfe verrenken, indem sie den Kopf in den Regen und über die Reling halten. Die letzten Meter. Sie ist auf der Treppe und gleich an Bord. Der Vater übernimmt jetzt die Führung und seine Tochter hakt sich bei ihm unter. Die Gäste schaffen eine Gasse, welche gerade breit genug ist, dass die beiden hindurch kommen. Er sieht sie.
Ich bin in Ostfriesland. Einige Tage rauskommen und den Kopf frei bekommen. Das Telefon klingelt. Eine fremde Nummer: „Westermann!“ „Ja, hallo, wir sind auf der Suche nach einem Redner für unsere Trauung!“. Nach einigen Details verabreden wir uns für den Tag meiner Rückreise in der Nähe vom Hamburger Hauptbahnhof. Ich habe ein Zeitfenster von knapp zwei Stunden, bis meine Bahn nach Hause fährt. Wir reden kurz über die Trauung und wie es laufen kann. Den Rest der Zeit verbringen wir bei einem netten Weizengetränk und reden über Gott und die Welt. Als wenn wir uns schon lange kennen würden. Ich genieße diese Minuten und bin etwas traurig, als ich sagen muss, dass meine Bahn fährt. Ich darf die beiden begleiten auf dem Weg in den „Hafen der Ehe“. Auch wenn diese Formulierung bitte nicht bei der Hochzeit auf der Rickmer Rickmers vorkommen soll. Ich fahre nach Hause und denke: Es ist noch lange hin bis September, aber ich freue mich jetzt schon auf diese Trauung. Es gibt Begegnungen mit Menschen, die verändern und bleiben lange in Erinnerung.
„Achtung an Deck!“ – nein, das habe ich nicht gesagt, als beide vor mir saßen. Dennoch ging es um die Achtung, um das Aufeinander achten. Sie hatten sich den Vers aus dem Hebräerbrief herausgesucht: „Lasst uns aufeinander achthaben und uns anreizen zur Liebe und zu guten Werken.“ (Hebräer 10,24).
„Aufeinander zu achten bedeutet mit aller Aufmerksamkeit dem Ehepartner zu begegnen. Nicht nur ein Teil von mir, sondern alles, was ich an Kraft, Zuhören, Anschauen, Verstehen und Lernen wollen zur Verfügung habe, wendet sich von allem anderen ab, was sonst vorhanden ist und wendet sich voll und ganz dem Ehepartner zu. In dem Moment, in dem ich mich dem anderen voll und ganz zuwende, ihn wahrnehme und seine Situation sehe, achte ich auf ihn. Aufeinander zu achten heißt voll und ganz für den Anderen da zu sein.“
[…]
„Während Luther den ersten und zweiten Teil des Verses durch ein „und“ verbindet, übersetzen andere an dieser Stelle mit „um“. So wird daraus: „… lasst uns aufeinander achthaben, um uns zur Liebe und zu guten Werken anzureizen.“ Es soll heißen: tut das eine, um das andere zu tun. Lasst uns aufeinander achten, um uns zur Liebe zu ermutigen. Lasst uns aufeinander achten, um uns zu guten Werken zu ermutigen.“
Ich werde wie immer persönlich. Das bringt zum Lachen und zum Weinen. Aber auch so persönlich, dass die Worte, die ich sage, bei mir und in der Erinnerung von Arne und Linda bleiben.
Noch einmal der Vers der beiden und die Musik setzt ein. Johannes Zettl spielt „Magic“ von Coldplay.
Jetzt stehen die beiden vor mir. Sie schauen einander an. Die Gäste vernehmen zwei Mal ein lautes: „Ja, ich will.“ Der kleine N. bringt die Ringe und als ich den Gästen: „Herrn und Frau Arne und Linda … “ vorstelle, gibt es einen richtigen Kuss. So liebe ich es. (Liebe Paare, haltet Euch nicht niemals zurück an dieser Stelle.) Ich darf Gott um seinen Segen bitten für die Ehe der Beiden. Dann kommen die Trauzeugen: „Worte des Herzens, die berühren.“ Wahrscheinlich ist niemand anderes den Herzen des Paares näher als die Freunde, welche sie so eng durch diesen Tag begleiten. Die Mädels können kaum ihre Worte los werden, ohne selbst Freudentränen zu vergießen. Der Trauzeuge des Bräutigams hingegen wirkt um einiges souveräner, aber nicht weniger von Herzen.
Johannes darf nochmal: „Best of you“ von den Foo Fighters. Letzte Infos zum weiteren Ablauf. Das Paar macht sich mit „Beautiful Day“ von U2 auf den Weg auf das Mitteldeck. Vorsichtig die nasse Treppe herunter. Die Gäste folgen und alle kommen sicher ein Etage tiefer an.
Gratulieren und Schnabulieren – es gibt Torte. Eine Torte, die an das erste „Ja“ (ich will Dich heiraten) erinnert. Eine Jazzcombo spielt. Was für eine tolle Atmosphäre. Für mich kommt die Zeit zu gehen. Noch ein paar Bilder mit dem Paar und Arne übergibt mir ein kleines Geschenk als Dankeschön: Eine Zigarre, welche bis heute noch auf einen würdigen Augenblick wartet. Ich mache mich auf den Weg zum Auto. Tschüss Rickmer Rickmers. Tschüss Hamburg.
Das war meine erste Hochzeit auf der Rickmer Rickmers. Während ich diese Zeilen über ein Jahr später schreibe, denke ich an Euren ersten Hochzeitstag vor einigen Wochen. Ihr seid jetzt zu dritt. Gemeinsam müsst Ihr jetzt auf diesen kleinen Menschen achten, ihn lieben und zu guten Werken anspornen. Ich wünsche Euch dafür alle Kraft, die Ihr braucht, unendlich viel Freude über jeden gemeinsamen Moment und vor allem gemeinsame Zeiten.
Vielen Dank Euch beiden und Malin Mauritsen für die tollen Bilder, welche ich immer wieder zeigen darf. Malin hat auch noch viel mehr Bilder auf ihrer Seite veröffentlicht. Johannes Zettel, ich empfehle Dich immer wieder gerne weiter.
Abschließend aus einer Email der Braut:
Lieber Ben,
wir möchten uns nun endlich bei dir für die wunderschöne Trauung bedanken. Deine Worte und die gesamte Zeremonie werden wir nie vergessen. Du hast uns – insbesondere natürlich mich 😉 – zu Tränen gerührt. Vielen Dank für deine liebevolle und vertrauensvolle Vorbereitung. Für uns fühlte es sich an, als würden wir dich schon ewig kennen. Wir haben uns dir sehr gerne geöffnet. Unsere Gäste waren sehr angetan von der Trauung und voll des Lobes für dich.
Linda
21. Oktober 2015 at 10:51Dank dir sehr für diese wunderschöne Erinnerung! Genau so war es! Bester Trauredner! Tollster Tag!